Mitbestimmung – das ist eines der Themen, zu denen es sicherlich eine Menge Stereotype und Vorurteile gibt. Mit Betriebsräten assoziieren nicht wenige entweder ein Relikt aus einer vergangenen Offline-Ära und/oder eine Kultur des Bewahrens.
Auch ich hatte lange Zeit zugegebenermaßen einige dieser Klischees im Kopf. Aber worauf beruhten diese Bilder? Vor allem auf dem Erleben und der Schilderung von Einzelfällen. Die Wahrheit ist aber doch: Die Bandbreite ist enorm – von den ewig Gestrigen bis zu den aktiven Transformationsgestaltern gibt es bei den Betriebsräten hierzulande so ziemlich jeden Typus.
Und Vorurteile können selbst Managerinnen und Managern haben, die mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten (müssen). Nicht selten wird dieser gar als Gegner gesehen, der sich grundsätzlich gegen Veränderungen stellt.
Am häufigsten jedoch wird die Zusammenarbeit der Betriebsparteien als Thema einfach unterschätzt, wird sie als reines Pflichtprogramm oder als Verhandlungsschauplatz wahrgenommen, auf dem beide Seiten versuchen, das Beste herauszuholen.
Nun befinden wir uns jedoch in einer Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden rasant wandeln. Digitalisierung, Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, eine herausfordernde weltpolitische Lage und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verändern die Arbeitswelt tiefgreifend.
Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen sich auch Arbeitgeber und Betriebsräte transformieren. Es reicht nicht mehr aus, an traditionellen Rollen festzuhalten und Themen wie auf dem Basar zu verhandeln. Stattdessen geht es darum, sich gemeinsam für die Zukunft des Unternehmens und dessen notwendiger Transformation verantwortlich zu fühlen – und dementsprechend gemeinsam zu handeln.
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert deshalb viel mehr als Verhandlungsgeschick. Es braucht eine neue Kultur des Miteinanders, die auf Offenheit, Vertrauen und einem gemeinsamen Verständnis für die Herausforderungen der Zukunft basiert.
Beide Seiten müssen bereit sein, alte Denkmuster zu hinterfragen und ihre Komfortzone zu verlassen. Denn nur wenn sich Betriebsparteien aus der reinen Verhandlungslogik lösen und in einen Gestaltungsmodus übergehen, kann eine echte Partnerschaft entstehen, die Mehrwert für das gesamte Unternehmen schafft.
In dieser Ausgabe widmen wir uns der Frage, wie eine solche Zusammenarbeit gelingen kann. Und die erste Voraussetzung dafür ist, Vorurteile abzulegen und offen aufeinander zuzugehen.
Jan C. Weilbacher