Von der Rolle: Wenn aus Person Funktion wird
Es berührt uns immer etwas peinlich, wenn Menschen aus der Rolle fallen. Wenn sie etwas tun, was unseren Erwartungen an ihre professionelle Funktion widerspricht. Das gilt für Führungskräfte, die im Streit «persönlich» werden, ebenso wie für Lehrer, die über Schüler lästern. Berufliche Rollen fordern rollentreues Verhalten von ihren Trägern. Denn sie sind der Ort, wo Organisation in Person übersetzt wird.
In den vergangenen Jahren sind Rollen in Organisation und Gesellschaft vielfältiger, komplexer, aber auch widersprüchlicher geworden. Für die Organisationsentwicklung hat das wesentliche Bedeutung: Wenn der Wandel nachhaltig sein soll, dann braucht es veränderte Aufgaben, Verhalten, Haltungen. Tatsächlich scheitern viele Veränderungsprojekte an der Übersetzung neuer organisationaler Funktionen und Anforderungen in neue Rollen, die im Alltag wirklich funktionieren.
Wir zeigen Ihnen das Thema aus vielen spannenden Perspektiven: Stefan Kühl erklärt, warum die Trennung von Rolle und Person für beide Seiten überlebenswichtig ist und wieviel Persönliches denn eigentlich wirklich in der Organisation gefragt ist. Stefan Berger macht für den vielerorts entstehenden Rollenstress die multiplen Zugehörigkeiten in unterschiedlichen Teams verantwortlich, die besonders von Führungskräften immer stärker gefordert werden. Auch bei Brigitte Winklers messerscharfer Analyse zu den Schattenseiten von Führungsfeedbacks steht die steigende Verunsicherung von Führung im Mittelpunkt. Für Rainer Niermeyer resultiert Unsicherheit und Überforderung aus verqueren Rollenerwartungen, die jahrzehntelang geschürt worden sind. In seinem Beitrag wird argumentiert, dass der überall hörbare Wunsch nach Authentizität blanker Unsinn ist, weil er Führung überlastet und Rollen kontaminiert. Wie Rollen ganz praktisch in der Organisation geklärt werden können, zeigen Bertine und Bernd Kessel. Ihr Rollenradar in unserer Werkzeugkiste ist eine Anleitung zum Entwirren falscher Rollenerwartungen. Dabei geht es auch um diejenigen Rollenanteile, die in der Organisation implizit, also «unter der Ladentheke» an die Rollen Tragenden ausgeteilt werden.