Burnout des Systems
Auf den Wandel dieser Branche schauen wir alle. Oder wir sollten zumindest alle draufschauen. Denn hier geht es nicht nur um ökonomische Interessen, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze, sondern vor allem um elementare Bedürfnisse. Früher oder später hat jeder von uns irgendeinen Kontakt zu Gesundheitseinrichtungen und den Menschen, die darin arbeiten – sei es wegen Unwohlsein oder Schmerzen, wegen Krankheit oder Prävention, wegen Geburt oder weil wir Menschen, die uns wichtig und krank sind, besuchen. Egal welchen Grund es für einen solchen Kontakt gibt, wir gehen davon aus – oder hoffen es zumindest –, dass schon alles gut laufen wird. Dass der Arzt bzw. die Ärztin kompetent ist und ausgeschlafen hat, dass die Abläufe effizient und im Sinne des Patienten funktionieren und dass es ausreichend geschultes Personal gibt, das auf die modernste Technik zurückgreifen kann.
Ich bin mir sicher: Wir alle wollen, dass es gut läuft im Gesundheitswesen. Doch das tut es nicht. Im Gegenteil. Das System ist ziemlich krank und die Konsequenzen sind weitreichende – bis hin zu Menschenleben, die ein krankes Gesundheitswesen auf dem Gewissen haben kann. Schaut man sich nur die Krankenhäuser an, dann können bestimmt viele in Deutschland die wichtigsten Herausforderungen benennen: Fachkräftemangel, Unterfinanzierung, fehlende Digitalisierung, ineffiziente Abläufe sowie eine Kommunikations- und Führungskultur, die von Silobildung und wenig Wertschätzung geprägt wird. Irgendwo verständlich. Warum soll man als „Gott in Weiß“ auf Augenhöhe führen?
Und dennoch: Das Thema Führung zum Beispiel ist ein Schlüssel, ein anderer ist die Digitalisierung. Beides muss im Gesundheitswesen angegangen werden, mit dem Ziel, den Menschen und seine Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Und mit Menschen meine ich nicht nur die Patienten, sondern auch die Mitarbeitenden. So kann es doch auch nicht weitergehen: Die Zahl der Arbeitsstunden des medizinischen und pflegerischen Personals sind zum Teil unmenschlich, die Prozesse völlig ineffizient, die Technologie von gestern, die Führungskultur altmodisch und die Attraktivität der Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen vorhanden. Das Gesundheitswesen hat einen Burnout.
Der Wandel muss kommen und es braucht Change-Experten – diese allerdings müssen die Besonderheiten des Gesundheitswesens kennen und die Berufsgruppen bzw. die Menschen dort verstehen. Denn klar ist auch: Es ist keine Branche wie jede andere. Die Herausforderungen sind gewaltig. Aber das, was wir alle gewinnen können, auch.
Jan C. Weilbacher, Redakteur