Es muss leider wehtun
Nachhaltigkeit – das ist so ein Thema, das alle wichtig finden. Eine intakte Umwelt, die Bewahrung der biologischen Vielfalt, eine hohe Lebensqualität für die Menschen – wer könnte etwas dagegen haben? 2015 verabschiedete die UN-Vollversammlung die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Ziele gibt es beispielsweise in Bereichen wie Klimaschutz und verantwortungsvolles Konsum- und Produktionsverhalten. Es versteht sich von selbst, dass die Unternehmen hier einen erheblichen Beitrag leisten können und müssen. Diesbezüglich ist aber noch viel Luft nach oben. Vieles bewegt sich im PR-Bereich, oftmals werden kleine CSR-Initiativen ins Rampenlicht gezerrt, ohne einen wirklichen Wandel anzustoßen. Dazu könnte unter anderem gehören, Nachhaltigkeit mit in die Strategie aufzunehmen und entsprechende Ziele abzuleiten, die genauso wichtig und verbindlich sind wie ökonomische Ziele.
Wachstum ist per se nicht schlecht, schließlich brauchen wir unter anderem Investitionen und Innovationen, um Umwelt- und soziale Probleme zu lösen. Wir müssen aber weg vom kurzfristigen Denken und weg von der Fokussierung auf Quartalsberichte. Und Unternehmen müssen wirkliche Verantwortung hinsichtlich der Erzeugung ihrer Produkte übernehmen. „Es liegt in der Verantwortung von Unternehmen, Mensch und Natur keinen Schaden zuzufügen bzw. für den verursachten Schaden selbst aufzukommen“, sagt Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz im Interview. Und das gilt für uns alle. Die billigen Flugreisen sind hier ein plastisches Beispiel.
Allein die Einsicht wird jedoch den großen Ruck nicht bringen. Der Nutzen bzw. der Schaden aufgrund eines nicht-nachhaltigen Handelns muss unmittelbar erlebbar oder in absehbarer Zeit spürbar sein. Aus diesem Grund war die Ankündigung von Larry Fink, Vorstandschef des mächtigen Vermögensverwalters Blackrock, Anfang des Jahres so spannend. Man wolle künftig Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil der Portfoliokonstruktion und des Risikomanagements machen und sich von Anlagen trennen, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellten, schrieb Fink in einem Brief an Vorstände von Unternehmen. Wer sich also nicht um Nachhaltigkeit kümmert, könnte Probleme mit Investoren bekommen. Und dann tut es weh. Und auch die Politik muss unbequemer werden – uns allen gegenüber. Es muss weh tun. Leider.
Mehr Nachhaltigkeitsmanagement ist aber ebenfalls eine Chance für Unternehmen. Die Möglichkeiten liegen in neuen Geschäftsmodellen und dem Erschließen von Wachstumspotenzialen. Gerade die junge Generation fordert nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zunehmend ein – als Mitarbeiter und als Kunden. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit – das sind keine Gegensätze mehr. Und die Sehnsucht in der Gesellschaft nach einem Einklang von beidem ist aufgrund der Corona-Pandemie noch größer geworden.
Jan C. Weilbacher, Redakteur