Auch mal verzichten
Wirklich konzentriert arbeiten, sich in eine Aufgabe vertiefen und nicht ablenken lassen – von keinen E-Mails, keinen Chat-Nachrichten, keinen Kollegen und Kolleginnen. Wie oft kommt so ein konzentriertes Arbeiten vor? In der heutigen modernen Welt der Wissensarbeit mit den zahlreichen digitalen Kommunikationskanälen eher selten.
Jeder kennt das Problem, die meisten sind unzufrieden mit der Art, wie die Arbeit in vielen Organisationen stattfindet, manche macht es gar krank. Und letztlich beeinträchtigt die ständige Ablenkung nicht nur die Produktivität des Einzelnen, sondern in der Summe auch den Erfolg des gesamten Unternehmens.
„Die Kunst, sich länger in eine einzige Aufgabe zu vertiefen, unterscheidet künftig die Erfolgreichen von den Nicht-Erfolgreichen“, sagt Cal Newport, der das bahnbrechende Buch „Deep Work“ geschrieben hat. Das glaube ich gerne. Die gute Nachricht ist: Wir alle können das konzentrierte Arbeiten, das Produktivsein wieder lernen. Was es braucht, sind ein paar neue Verhaltensroutinen, eine gewisse Disziplin und ein bisschen Unterstützung oder zumindest das Verständnis der Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. So kann man sich zum Beispiel mittwochs und freitags von zehn bis zwölf Uhr die Zeit für konzentriertes Arbeiten im Kalender blocken, dann ist das Handy nicht griffbereit, die Mail- und Teams-Benachrichtigungen sind ausgeschaltet, die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass sie nicht stören dürfen.
In der Lage zu sein, fokussiert seine Ziele zu verfolgen, sich nicht zu verzetteln, ist eine Super-Power. Die braucht nicht nur der Einzelne, auch für ganze Organisationen ist Fokus ein Erfolgsfaktor – in Projekten, im strategischen Vorgehen, in der Transformation. Bei vielen Unternehmen fehlt es aber genau an diesem Fokus. Beispielsweise weil immer wieder neue Ideen von der Geschäftsleitung von oben in die Organisation gekippt werden. Oder weil verschiedene Fachbereiche sich darüber streiten, welches Thema für das Geschäft relevanter ist – und am Ende geht nichts voran.
Unternehmen brauchen die Fokussierung, um erfolgreich zu sein. Eine Roadmap zu erstellen und die unterschiedlichen Vorhaben zu priorisieren, kann da ein Weg sein. Meist verlangt es auch eine Limitierung der parallelen Projekte, weil andernfalls die Organisation überlastet ist und damit die Leistung schwindet.
Generell bedeutet Fokus ganz oft – sowohl für den Einzelnen als auch für ein Unternehmen – den Mut zu haben, loszulassen: Diese eine Idee, das eine Projekt, jener Austausch werden dann mal nicht weiterverfolgt. Anderes hat Priorität und muss über die Ziellinie gebracht werden kann. Die Ressourcen sind nun einmal endlich.
Jan C. Weilbacher, Chefredakteur