Früher, in meiner Zeit als Kriminalreporterin, beschäftigte ich mich ausführlich mit dem Phänomen der vertuschten Morde. Tötungsdelikte werden in Deutschland wegen fehlender Kompetenz bei Ärzten und Polizisten häufig gar nicht als solche erkannt. Vor allem dann nicht, wenn die Täter sie geschickt als Suizid oder Unfall tarnten. Oft hegen die Angehörigen einen Verdacht, den die Ermittler aber nicht ernst nehmen. Die Angehörigen bleiben dann nicht nur mit ihrer Trauer, sondern auch mit einem Trauma zurück. Ein nicht entdecktes oder unaufgeklärtes Tötungsdelikt vergiftet über Jahre ganze Familien. Die junge Fotografin Vivian Rutsch hat zwei ihrer liebsten Menschen unter solch rätselhaften Umständen verloren. Durch Fotografieren versuchte sie mit dem Gift des Zweifels fertigzuwerden. Die Aufnahmen und ihre Geschichte bilden den Auftakt zu unserem Titelthema.
Auch das Schicksal der jungen Frieda Helbig, deren Großmutter von einem nie gefassten Täter ermordet und zerstückelt wurde, gehört dazu. Sie schrieb uns einen Brief, und unsere Reporterin Emilia Smechowski ging der schrecklichen Mordgeschichte nach. Der Untersuchungshäftling Rachat Alijew kam ebenfalls unter merkwürdigen Umständen ums Leben.
Seinen gespenstischen Fall aus Wien lesen Sie auf Seite 94, denn mit dieser Ausgabe erweitern wir den regionalen Raum unseres Magazins: Ab jetzt finden nicht nur deutsche Kriminalgeschichten ins Heft, sondern auch solche aus der Schweiz und Österreich, wo ZEIT Verbrechen immer mehr Leserinnen und Leser gewinnt. Natürlich birgt das Heft noch weitere Überraschungen: etwa die beeindruckenden Polizeifotos des ersten schwarzen Starfotografen der USA, Gordon Parks, die Bilder urlaubender Kriminalschriftsteller oder unser neues Rätsel.
Ich wünsche Ihnen spannende Unterhaltung und nachdenkliche Stunden.
Ihre Sabine Rückert