Meinen ersten Kontakt mit einer zerstörten Seele hatte ich im Jahr 2001. Ich absolvierte meinen Zivildienst in einer Wohnstätte für psychisch kranke Menschen. Und ohne nachträgliche Überhöhung darf ich sagen, dass die ersten Wochen dort einen zuvor doch etwas unbedarften, rundum gepamperten, 19-jährigen Naivling ein Stückweit erwachsen werden ließen. Manfred, so soll er hier heißen, war Soziologe, ein Intellektueller, der die Weltbereiste. Doch als eines Tages seine Frau bei einem schrecklichen Unfall starb, fiel er aus der Welt. Die Angst zog ein in seine Seele, kroch in jeden Quadratzentimeter seines Körpers und machte ihn zu einem Gefangenen seiner eigenen Haut. Manfred traute sich nicht mehr, vor die Tür zugehen, immer tiefer grub er sich ein in Furchtszenarios, die ihm ein »normales« Leben völlig unmöglich machten. Manfred,der friedlichste Mensch der Welt, wurde so schleichend zu einer Gefahr für sich selbst.
Von Menschen, deren Psyche in Scherben liegt, die – schuldunfähig – unvorstellbare Verbrechen begehen oder durch ihre Handlungen andere in schwere Krisen stürzen, handelt unser Titelkomplex.Krankheiten zu heilen, das war die Aufgabe des Chirurgen Rupprecht Bernbeck, einem Säulenheiligen der Hamburger Medizinwelt. Doch wie sich herausstellte, hatte ausgerechnet dieser Halbgott in Weiß über Jahre einige Patienten massiv falsch behandelt – und sie so für ihr Leben gezeichnet. Ob Opfer schwerer Verfehlungen den Tätern verzeihen sollten, das haben wir den Philosophen Oliver Hallich gefragt.
Ich wünsche Ihnen anregende und nachdenkliche Stunden!
Daniel Müller,
Chefredakteur