Vor einigen Jahren saß ich auf einer Parkbank irgendwo in Österreich. Die Donau floss träge vorbei, und auf dem Kieswegneben mir kauerte ein junger Mann, der sich seine Hände schützend über den Kopf hielt. Wir waren zum Gespräch verabredet, und plötzlich waren wieder in Syrien, wo er sich der Terrorgruppe »Islamischer Staat« (IS) angeschlossen hatte. Plötzlich wieder im Krieg, in dem er schwer verwundet worden war. »Hier«, sagte er und deutete auf seinen Unterbauch, »hingen meine Gedärme raus.« Dieser junge Mann war ein Täter. Und er war ein Opfer. Ein suchender Junge, der in seiner Familie nie Halt gefunden hat. Mit gerade mal 16 Jahren verführt von islamistischen Rattenfängern und dem Versprechen aufs Paradies. In diesem Moment verstand ich zum vielleicht ersten Mal, wie magisch die Anziehungskraft einer Gemeinschaft für jene sein kann, die nie Teil einer Gemeinschaft waren.
Von Menschen, die im Namen Gottes Verbrechen begehen, handelt unser Titelkomplex. Es geht um den IS, es geht aber auch um die religiöse Sekte Colonia Dignidad. Und um das blutigste Buch der Geschichte – die Bibel. Der Chefreporter der ZEIT, Stefan Willeke, interviewt für uns regelmäßig den mehrfach verurteilten Hochstapler Mike Wappler über sein Leben im Knast. Nun konnten sich die beiden erstmals draußen begegnen, denn »Milliarden-Mike« ist frei, wird aber zum Glück in unserem Heft weiter von seinen Erfahrungen berichten. Das Interview fand standesgemäß in einem Luxushotel statt. Wappler fuhr mit einem weißen Jaguar vor.
Ich wünsche Ihnen spannende und nachdenkliche Lesestunden.
Daniel Müller,
Chefredakteur