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Die Römer in Germanien

Wer glaubt, die Geschichte der Römer in Germanien sei ein ausgelesenes Buch, das nach 2000 Jahren keine Überraschungen mehr biete, der sollte graben. Kaum hat die Redaktion im September 2020 mit der Planung dieses Heftes begonnen, meldet das Varusschlacht-Museum in Kalkriese einen »Jahrhundertfund«: Archäologen haben einen Schienenpanzer geborgen, eine römische Rüstung, die einzige in Kontinentaleuropa. Einige Wochen später werden im niedersächsischen Bückeburg bei Bodenarbeiten Münzen gefunden, zwei Jahrtausende alte Denare.

Die Römer sind unter uns, immer noch. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kamen vielerorts neue Relikte ans Licht, die auf militärische Lager, Siedlungen oder Schlachtfelder hindeuten; das Netz römischer Stützpunkte rechts des Rheins ist dichter geworden und reicht weiter nach Osten, als man dachte. In unserem Essay beschreibt Reinhard Wolters die Erforschung der römischen Herrschaft in Germanien als archäologische »Entdeckungsgeschichte«, die unser Bild von dieser Epoche von Grund auf verändert hat – und die noch längst nicht abgeschlossen ist. Graben ist gleichermaßen das Geschäft der Historiker: Um zu Ereignissen wie der Varusschlacht vorzudringen, müssen jahrhundertealte Schichten der Deutung und Mythisierung abgetragen werden. Altmeister Theodor Mommsen hat den Untergang der römischen Legionen einst zum »Wendepunkt der Weltgeschichte« erhoben – aber war er das wirklich? Gab es überhaupt eine Schlacht an einem Ort? Die Varus-Katastrophe wurde zum Wanderpokal der Hobby- und Heimatforscher, die mehr als 700 mögliche Schauplätze ausgemacht haben.

In unserem Heft bilanzieren die Museumsleiter aus Detmold und Kalkriese: »Dieser Fall ist nicht gelöst.« Als die Nationalbewegten im frühen 19. Jahrhundert für den Befreiungskampf gegen Napoleon historische Vorbilder suchten, feierte man den Sieg des Arminius als Feuertaufe der deutschen Nation. Seitdem spuken die »Germanen« durchs Ahnengedächtnis der Deutschen – wilde Naturburschen, die sich keulenschwingend auf die Legionäre stürzen. Dabei gab es »Germanen« nur in den Augen der Römer, und es herrschte auch nicht immer Krieg. Zu den größten Überraschungen der mythenreichen römischgermanischen Geschichte gehört, dass beide Seiten oft Verbündete waren und voneinander lernten. Eine schmerzliche Erkenntnis für alle Schlachtenbummler, die dem Ur-Ort der Deutschen nachspüren: Nicht im Schwertkampf des »Hermann«, sondern im friedlichen Austausch und in der Anpassung an die römische Lebensweise liegt die Wiege unserer Kultur.

Themen im Heft:

  • Römische Rätsel: Archäologische Funde verändern unser Bild von der Herrschaft der Römer in Germanien
  • Rückmarsch ins Verderben: Im Jahr 9 siegt Arminius über Varus – Roms Legionen gehen unter  
  • Kurzschwert gegen Schweinskopf: Wie kämpfen die römischen Legionäre? Und wie ihre Gegner?
  • Die Nordung der Nation: Wie aus Arminius »Hermann« wurde

Sie können ZEIT GESCHICHTE auch im Klassensatz mit 50 % Rabatt bestellen.

 

 

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