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Glorias Erbe

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Alliierten das Übel an der Wurzel packen: Am 25. Februar 1947, vor 75 Jahren, lösten sie den Staat Preußen auf. Was als Brutstätte von Militarismus und Obrigkeitsdünkel galt, wurde von der Landkarte getilgt. Seitdem geistert Borussia wie eine Untote durch die deutsche Geschichte. So wie die Gebeine Friedrichs des Großenauf Reisen gingen, ehe sie 1991 in einem bizarren Staatsakt vor Schloss Sanssouci beigesetzt wurden, kann auch Preußen keine letzte Ruhe finden: In den Sehnsüchten nach einem versöhnlichen Geschichtsbild, der Debatte um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche und des Berliner Schlosses, dem leidenschaftlichen Streit um das Erbe der Hohenzollern – der Mythos Preußen lebt; er ist lebendiger denn je. Über kaum einen anderen untergegangenen Staat wird so kontrovers diskutiert wie über das Reich der Hohenzollern. Wer über Preußen urteilt, hält sich meist an die Landesfarben: schwarz oder weiß. Im märkischen Sand nisten entweder Kadavergehorsam und Junkergeist – oder es blühen Aufklärung und Toleranz. Preußens Geschichte führt entweder pfeilgerade in den Nationalsozialismus – oder am 20. Juli 1944 erhebt sich das »andere Deutschland«. Zwischentöne sind selten in diesem Erbstreit. Ohnehin geht es weniger um die Geschichte, eher um die politische Benutzeroberfläche: Preußens Gloria tönt heute oft deutschnational. Eine späte Ironie, dass das territorial zerrissene Königreich lange Zeit gar nicht in der Lage war, einen eigenen Patriotismus auszubilden, aber nach seinem Ableben zum gefragten Sinnstifter wird.

Dieses Heft will Preußen weder verteufeln noch verklären, sondern sich seiner Geschichte unvoreingenommen nähern. Es will die Eigenarten, Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen dieser europäisch-deutschen Großmacht ausleuchten, ohne in Apologetik zu verfallen. Die Autorinnen und Autoren spannen einen weiten Bogen, von den Anfängen der Hohenzollern in Brandenburg bis zum Untergang nach dem Zweiten Weltkrieg. Preußen hat sich nicht etwa schon 1871 aus der deutschen Geschichte verabschiedet, wie manche Historiker behaupten, um ein unbeflecktes Erbe zu bewahren. Nur wer die Geschichte Preußens bis zu ihrem Ende erzählt, versteht, warum uns dieser Staat bis heute nahe ist; warum Preußen zum Gepäck gehört, wenn wir über Deutschland im 21. Jahrhundert nachdenken.

 

Themen im Heft:

  • Verehrt, verdammt: Preußens Gegenwart in Bildern
  • Zwischen Luther und Calvin. Im Glauben ist Preußen gespalten
  • Die teuerste Party Preußens. 1701 krönt sich Friedrich I. zum König. Seinem Sohn ist der Pomp zuwider
  • »Jeder nach seiner Faßon selich« Friedrich, der Aufklärer
  • Blanker Ungehorsam. General Yorck und Napoleons Ende
  • »Der Staat, das sind wir«. Hegel und Preußen, ein Irrtum
  • Zuweilen geduldet, nie geliebt. Preußen und die Juden

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