Am Rande des Chaos
Ein Spiel im Freundeskreis: Jeder soll aufregende Nächte aus seinem Leben erzählen. Ein viel zu langer Spaziergang fällt mir ein, am dunklen Isarufer, neben mir eine Marianne, besser: DIE Marianne. Schwarze Augen, schwarze Locken, wunderschön. Aber ich habe mich nicht getraut anzugreifen, wie wir damals sagten, also sie zu küssen. Ich war halt auch erst 14. Dann die Nacht im Klinikum Großhadern in München, als meiner Mutter das Herz herausgeschnitten wurde. Fünf Stunden warten vorm OP-Saal, bis die erleichternde Nachricht kam: Ja, das neue Herz hat seine Arbeit aufgenommen. Aber diese eine Nacht darf auch nicht fehlen: die Begegnung mit dem Chaosmathematiker Heinz-Otto Peitgen an einer Hotelbar in Berlin. Der Mann lieferte mehr Weisheiten, als 13 Schuljahre zu bieten hatten. Leider habe ich mir nicht alle gemerkt (Bar!). Die wichtigste aber schon: Ein System kann nur am Rande des Chaos überleben. Das ist dort, wo sich Tradition und Innovation die Waage halten. Zu viel Innovation – keine Chance. Nur noch Tradition – auch keine Chance. Mit System ist zum Beispiel ein Staat gemeint oder eine Firma, auch eine Ehe oder ein Magazin.
Andreas Lebert
Chefredakteur
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